Coyote Teaching – Selbsterfahrung als Wegweiser
Coyote Teaching – Selbsterfahrung als Wegweiser
Schon der Schriftsteller Max Frisch bemerkte treffend: „Die Meisten verwechseln Dabeisein mit Erleben.“ Denn erst das Erlebnis schenkt uns eine Erfahrung. Darum geht es auch im Coyote Teaching; Wissen zu erlangen, indem wir es selbst erleben und erfahren. Denn es nützt nichts, alles Wissen der Welt in sich aufsaugen zu wollen, man muss es auch verstehen.
Geschichte des Coyote Teaching
Schon zu Urzeiten wandten die Naturvölker die Kenntnisse des Coyote Teaching an. Die Kinder indigener Völker besuchten keine Schulen. Ihre Schule und ihr Lehrmeister war die Natur. Ihre Mentoren waren ihre Mitmenschen. Wesentlicher und existenzieller Bestandteil ihres Lebens war es, sich mit der Natur zu verbinden, von ihr zu lernen, an ihr zu wachsen und sich immer wieder neuen Aufgaben und Herausforderungen zu stellen. Bekanntester Vertreter des Coyote Teaching ist Jon Young. Young war schon in seiner Kindheit Schüler bei Tom Brown Jr. Brown selbst wurde von dem alten Apache-Indianer Stalking Wolf unterrichtet und gab sein Wissen an Young weiter. Nach seinem Studium der Anthropologie erkundete Young zahlreiche Naturvölker auf der ganzen Welt. Alles, was er bei ihnen über das Leben in der Natur und die Art ihrer Erziehung lernte, verband er mit seinem Wissen. Darauf basierend gründete er seine Wildnisschule. Durch ihn gewann die Wildnispädagogik mit ihren Lehren, wie der des Coyoten, weltweit an Popularität. Der Name Coyote Teaching ist übrigens auf das gleichnamige Tier zurückzuführen. Der Kojote steht symbolisch für das, was der Schüler verkörpern soll. Er gilt als schlaues, lebensfrohes, aber auch listiges Wesen. Ähnlich dem schlauen Fuchs in unseren heimischen Mythologien. Was den Kojoten auszeichnet ist, dass er nicht aufgibt. Er findet neue, unbekannte, manchmal auch „dumme“ Wege. Unkonventionelle Eigenschaften, die auch ein Schüler besitzen sollte. Denn sie sind die beste Voraussetzung mehr über sich und die Natur, in der er lebt, zu erfahren.
Wer nicht fragt, bleibt dumm
Zentraler Bestandteil des Coyote Teaching sind die Fragen des Mentors. Anders als ein Lehrer in der Schule, betet er nicht trockene Fakten herunter. Er versucht auch nicht sein eigenes Wissen auf biegen und brechen weiterzugeben. Er ist vielmehr Impulsgeber. Mentoren geben den Schülern Aufgaben und begleiten sie auf ihrem Weg. Die Schüler erhalten Anregungen und Rätsel von ihren Mentoren. Über ihre eigenen Erfahrungen sollen sie den Antworten näher kommen. Dabei lassen es sich die Mentoren nicht nehmen auch mal kleine Fallen einzubauen, um den Schüler zu testen und ihn selbst seine Grenzen und Schwächen ausloten zu lassen. Um den Schüler nicht zu demotivieren, passen die Mentoren die Fragen an die Kenntnisse und Fähigkeiten des Lernenden an. Nach Jon Young gibt es drei Fragetypen. Mit deren Hilfe will er die Schüler in die Lehren des Kojoten einführen. Fragetyp I: Zunächst soll Vertrauen aufgebaut werden, um dem Schüler so eine Art von Sicherheit zu geben und ihn zu bestärken. Indem er die Antwort auf den ersten Fragetyp geben kann, fühlt er sich sicher und der nächsten Aufgabe gewachsen. Fragetyp II: Es geht an den Wissensrand des Schülers. Der Mentor stellt dem Schüler dazu eine Frage, die er gerade noch so beantworten kann, ihm aber schon eine gewisse Kniffligkeit abverlangt. Das entfacht die Neugier des Lernenden. Fragetyp III: Fragen des dritten Typs sollen das Interesse des Schülers an neuen, fremden Themen wecken. Dazu stellt der Mentor eine Frage, die der Schüler garantiert nicht beantworten kann, ihn aber wissensdurstig macht. Er wird so dazu gebracht sich aus seiner Komfortzone herauszubewegen und ist bereit in eine neue Welt einzutauchen. Der Mentor selbst befindet sich zu der Zeit an einem Punkt, an dem auch er sein eigenes Wissen und seine eigenen Erfahrungen immer wieder überprüfen muss und erweitern will.
Lebenslanges Lernen – Art of Mentoring
Lehren kann nur, wer selbst bereits etwas gelernt hat. Die Kunst des Lehrens (Art of Mentoring) ist deshalb der nächste Schritt, der auf die Lehren des Kojoten folgt. Selbsterfahrung ist der Schlüssel: Erst wenn ich selbst erfahren habe, bin ich in der Lage, Dinge für andere erfahrbar zu machen. Um ein guter Mentor zu sein, braucht es aber noch mehr Eigenschaften: Einfühlungsvermögen, die Fähigkeit zu begeistern, Geschichten zu erzählen, kein Wissen vorweg zu nehmen, spielerisch zu lehren, etc. Wer die Art of Mentoring beherrschen will, muss das Coyote Teaching durchlaufen haben. Dabei gibt es kein Ziel oder eine Abschlussprüfung, sondern lediglich den eigenen Erfahrungsschatz als Belohnung. Was das Coyote Teaching darüber hinaus auszeichnet, ist die Tatsache, dass es nicht einem starren Muster folgt, sondern immer wieder Gewohnheiten durchbricht und neue Wege sucht. So sollen die Lernenden neugierig und begeistert bei der Sache bleiben. Im besten Fall sollte das Lehren nicht wie Lehren anmuten. Die Schüler sollen quasi lernen ohne zu merken, dass sie unterrichtet werden. So sollen die Schüler sich in ihrer eigenen Umwelt erfahren und sich mit ihr auseinandersetzen. Dabei ist es essentiell, Gedankenmuster zu durchbrechen und Grenzen zu überwinden. Nur so lassen sich Erklärungen und neue Lösungsansätze finden. All das geschieht im Zusammenspiel mit der Natur und der Gemeinschaft.
Warum Coyote Teaching? Das Coyote Teaching hat zum Ziel, die kindliche Neugier und den kindlichen Ehrgeiz in uns zu wecken: Als Kind konnten wir noch so oft beim Versuch zu laufen scheitern, wir haben es immer und immer wieder ausprobiert, nie sind wir müde geworden unsere Eltern nach dem „Warum“ zu fragen, Regeln und Verbote unserer Eltern gaben uns nur noch mehr Anreiz, sie zu durchbrechen, um zu sehen was passiert. Daraus ist ein unglaublicher Erfahrungsschatz entstanden, der uns zu dem Menschen gemacht hat, der wir heute sind. Leider haben wir irgendwann im Laufe unseres Lebens aufgehört, Dinge an denen wir mehrfach gescheitert sind, weiter zu versuchen. Wir waren es irgendwann leid, ständig nach dem „Warum“ zu fragen und doch keine befriedigende Antwort zu bekommen. Auch Regeln und Verbote zu durchbrechen hatte höhere Strafen und Sanktionen zur Folge, weshalb wir als Erwachsene nur noch selten ein Risiko eingehen. In vielen Lebensbereichen ist all das sinnvoll, aber eben nicht in allen. So sollten wir wieder viel öfter: versuchen, auch wenn wir scheitern, fragen, auch wenn wir nicht gleich eine Antwort finden und Gewohnheiten durchbrechen, auch auf die Gefahr hin, in einer Sackgasse zu landen. Das Coyote Teaching ist ein wertvolles Hilfsmittel dabei. Nutzen wir es!
Wir vermitteln euch das Coyote Teaching und Art of Mentoring im Rahmen unserer Weiterbildung Natur- und Wildnispädagogik.