Im Interview: Drei angehende Wildnispädagogen über ihr Warum
Im Interview: Drei angehende Wildnispädagogen über ihr Warum
Warum jemand eine Weiterbildung zum Natur- und Wildnispädagogen macht, kann verschiedene Gründe haben. Wir haben drei Teilnehmer unserer aktuellen Weiterbildung interviewt. Sie haben uns erzählt, warum sie Natur- und Wildnispädagoge werden wollen, was sie dazu motiviert hat und welche Erfahrungen sie bereits gemacht haben.
Alle Augen sind auf sie gerichtet. Gespannt, ob es ihr gelingt. Voll konzentriert und mit aller Kraft versucht sie sich im Bow Drill, zu Deutsch: Feuerbohren. Eine Methode um Feuer zu entfachen. Die Luft ist zum Zerreißen gespannt, zunächst sagt keiner mehr etwas, dann folgen die ersten Jubelschreie: Rauch steigt auf. Aber ihre Kraft reicht nicht mehr. Feuer entfacht sie noch keins. Dennoch klatschen alle begeistert und setzen sich sofort wieder an ihren Bow Drill, davon angespornt und motiviert. Eine Szene aus der aktuellen Weiterbildung Natur- und Wildnispädagogik.
Auf dem Weg zum Natur- und Wildnispädagogen
20 Menschen, die sich größtenteils nicht kannten, sind in wenigen Tagen zu Verbündeten geworden. Verbündete in der Natur. Sie teilen sich für ein Wochenende denselben Lebensraum, die Wildnis. Egal, was sie in ihrem „normalen“ Leben sind, ob Arzt, Erzieher oder Lebenskünstler, einmal im Monat sind sie ab sofort werdende Natur- und Wildnispädagogen. Über einen Zeitraum von neun Monaten finden sie sich regelmäßig zusammen, um bei Naturabenteuer Niederrhein ihre Weiterbildung zu absolvieren. Vor wenigen Tagen haben sie sich das erste Mal getroffen.
Als ich die Teilnehmer für ein Interview besucht habe, hatte ich das Gefühl, dass hier eine vollkommen homogene Gruppe zusammen lebt. Hätte ich es nicht gewusst, nichts hätte mich erahnen lassen, dass sich fast alle – zwölf Frauen und acht Männer – zwei Tage zuvor zum ersten Mal begegnet sind. Es herrschte ein unglaublich kraftvolles, harmonisches und unterstützendes Miteinander. Besonders oder gerade wegen der Bedingungen, unter denen sie sich dort zusammen gefunden haben. Die Teilnehmer absolvieren zwar kein Survival-Training, dennoch ist es wichtig sich auf die Anderen verlassen zu können, von ihnen zu lernen und sich gegenseitig zu unterstützen.
Zurück in die Natur
Vertrauen ist die Basis, um diese Weiterbildung zu meistern. Vertrauen in sich und Vertrauen in die Anderen. Das weiß auch Sarah aus Dortmund. Die 34-jährige Journalistin macht die Weiterbildung zur Natur- und Wildnispädagogin, weil sie gerne dazu lernt und neuen Input bekommen möchte. Außerdem hatte sie das Gefühl, mal raus zu müssen. In die Natur eben. Sarah ist selbst ein „Dorfkind“, wie sie im Interview sagt. In der Stadt ist es ihr oft zu laut. Außerdem nervt sie die schlechte Luft. Sie will sich wieder fühlen, wie in ihrer Kindheit als sie rausgegangen ist, in den duftenden Feldern rumstreunte, am plätschernden Fluss saß und eine intensive Verbindung zur Natur spürte. Nach diesem Gefühl sehnt sie sich zurück. Und tatsächlich hat sie es bereits wieder verspürt. Sarah ist fasziniert von den Möglichkeiten, die die Natur uns bietet. „Es gibt so viel, was die Natur hergibt, aber man sieht es oft nicht. Ich wusste gar nicht, was man aus so einfachen Materialien alles schaffen kann. Wir haben nur aus Stöcken, Laub, Tannenzweigen und Reisig eine wärmende und schützende Unterkunft gebaut“, erzählt Sarah mit voller Begeisterung und auch ein bisschen Stolz in den Augen.
Aber es gab für die 34-Jährige auch Momente, die ihr ihre Grenzen aufgezeigt haben. Das Feuerbohren zum Beispiel. Darüber war sie ziemlich entnervt, weil sie dabei gemerkt hat, wie ungeduldig sie doch ist. Aber genau diese Ungeduld ist es auch, die Sarah anspornt es weiter zu versuchen. Für die Journalistin ist die Weiterbildung zur Natur- und Wildnispädagogin schon jetzt eine absolute Bereicherung. Obwohl sie Quereinsteigerin ist und ihrem Beruf treu bleiben will, hat sie die Möglichkeit mit der Ausbildung zu arbeiten, vielleicht ja nebenbei. Ausschließen will sie es jedenfalls nicht.
Weiterbilden für den Job
Anders als Sarah, besucht Maren die Weiterbildung gezielt für Ihren Beruf. Die 27-Jährige ist studierte Kindheitspädagogin und arbeitet in einem Waldkindergarten. Sie will die Erkenntnisse aus dem Lehrgang in ihren Arbeitsalltag einfließen lassen. Für Maren ist es etwas besonderes mit Kindern in der Natur zu arbeiten. „Gerade in einer Zeit, in der immer mehr Medien den Alltag bestimmen, finde ich es wichtig, dass Kinder ihren Ursprung kennenlernen und damit auch umgehen können. Sie sollen die Natur als Ruhepol für ihr Leben mitnehmen können und als Alternative nutzen, um einen Ausgleich zu finden“, so Maren. Die 27-Jährige will das hier Gelernte deshalb im Kindergarten anwenden. Dabei habe ich mir allerdings die Frage gestellt, ob es nicht zu gefährlich ist, die Kinder an Aufgaben wie Feuermachen und Schnitzarbeiten heranzuführen. „Nein“, beruhigt mich Maren, „das kann man auch mit Kindern machen, wenn man die Gegebenheiten dafür schafft. Bei uns im Waldkindergarten ist das durch den höheren Betreuungsschlüssel der Fall und damit auch durchaus das Schnitzen und Feuer machen möglich.“ Ich bin beeindruckt.
Die eigene Persönlichkeit weiterentwicken
Beeindruckt hat mich auch Eiko. Der 24-jährige Ostfriese hatte nicht nur die längste Anreise, sondern auch eine sehr spannende Geschichte zu erzählen. In seinen jungen Jahren hat er bereits unglaublich viel Lebenserfahrung gesammelt und einen Werdegang hinter sich, den ich nicht vermutet hätte. Denn noch vor einiger Zeit hat Eiko als Bänker gearbeitet. Seitdem hat sich viel verändert, sagt er selbst. Zuletzt ist er über ein Jahr lang gereist und hält sich momentan mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Die Weiterbildung zum Natur- und Wildnispädagogen absolviert er, nach eigener Aussage, vor „entwicklungstechnischem Hintergrund“. Momentan befindet er sich als Person auf einer Reise und beschäftigt sich mit der Frage: „Wo will ich hin?“. Dabei ist der Lehrgang für ihn ein guter Schritt in die richtige Richtung. In seinem früheren Leben hat Eiko gelernt, was er nicht will, beispielsweise kann er sich momentan überhaupt nicht vorstellen je wieder in einem Büro zu arbeiten, schließt es aber auch nicht komplett aus. Was er will ist, naturverbundener leben als die breite Masse es heute tut. Natur ist für den 24-Jährigen eine heilende Instanz, egal ob im Wald oder auf dem Surfbrett im Wasser. Er ist froh, dass er die Weiterbildung macht und dabei Menschen kennengelernt hat, die ihn auf diesem Weg begleiten. Denn bereits nach wenigen Tagen hat er gemerkt, dass er noch viel zu lernen hat und längst nicht so weit ist, wie er dachte.
Unterschiedliche Menschen – ähnliche Erfahrungen
Sowohl Eiko als auch Sarah und Maren finden es unglaublich bereichernd voneinander zu lernen, zu erfahren und miteinander zu wachsen. Trotz ihrer unterschiedlichen Charaktere, gibt es bei Sarah, Maren und Eiko schon jetzt eine essenzielle Gemeinsamkeit: Die Tatsache, dass sie bereits nach so kurzer Zeit wahnsinnig viel über sich selbst und die Natur gelernt haben. Sarah hat das toll auf den Punkt gebracht: „Du lernst die Natur und Wildnis kennen, du lernst aber auch deine eigene Wildnis kennen. Wir wissen nie, was uns als nächstes erwartet, deshalb heißt es: Offen bleiben für die Wildnis da draußen und die Wildnis in uns.“
Das versprechen spannende neun Monate zu werden.